Gründergeist in der Backbranche
Die deutsche Lebensmittelbranche und ihre mediale Wahrnehmung sind durch nahezu paradox anmutende, gegenläufige Trends geprägt: Einerseits herrscht enormer Preisdruck, andererseits bringen auf Genuss und gesunde Ernährung ausgerichtete Lebensstile immer wieder neue, hochwertige Nahrungsmittel hervor – und zugehörige Produktionsbetriebe. So haben Vegetarismus, Nachhaltigkeit und grüne Ernährung zu vielen neuen Produkten geführt und sich aus der Bioladen-Nische zu den großen Discountern verbreitet. Zugleich sind gerade Bäckereien nahezu überall präsent: Kein Einkaufszentrum ohne sie, jeder größere Supermarkt hat heute die Filiale einer Backkette im Eingangsbereich, in der Mobilitätskette – an Raststätten, Bahnhöfen, in U-Bahnstationen – gibt es überall Backshops und natürlich immer noch in vielen Dörfern und Stadtteilen.
Bei so viel Aktivität im Markt gibt es immer wieder unternehmerische Chancen, findige Köpfe kommen immer wieder auf neue Ideen. „Brotliebling“ aus der Kölner Region beispielsweise verschickt Backmischungen für Brot. Direkt aus Köln kommt das Unternehmen „Dankebitte“, das ebenfalls mit dem Versand von Brotbackmischungen sein Geld verdient, aber die Bio-Kundschaft bedient. In der Region Stuttgart ist seit 2015 das Startup „MixDeinBrot“ ansässig, bei dem sich Kunden eigene Backmischungen online zusammenstellen und zusenden lassen können. Im nordhessischen Eschwege haben es zwei Schwestern und ihr Unternehmen „MakeCake“ mit dem Versand von Backmischungen für zuckerfreie, gesunde und kalorienarme Proteinkuchen und -cremes bis ins Halbfinale des Hessischen Gründerpreises geschafft.
Dass man sich von den oft reißerischen Meldungen über Startups nicht blenden lassen sollte, ist klar. Bäckermeister und -meisterinnen sind, wie alle selbstständigen Handwerksbetriebe, seit jeher eben auch Unternehmer und Unternehmerinnen. Aber natürlich verändern sich Unternehmen und ein Onlineshop muss zwar die gleichen wirtschaftlichen Regeln beachten wie eine Bäckerei oder Konditorei, funktioniert aber trotzdem nach anderen Regeln. Und nicht jede Idee setzt sich durch, ein Hamburger Startup mit Backmischungen im Buchformat, die deshalb problemlos in den Briefkasten passen, ist ebenso Geschichte wie eines aus Offenbach, bei dem vornehmlich Geschäftskunden online bestellen und sich dann beliefern lassen sollten. So vielfältig wie Geschäftsideen sind, kann es kein Generalrezept für ein erfolgreiches Lebensmittel-Startup geben. Aber wichtige Grundregeln, die aus einer Idee einen Erfolg machen können.
1) Fokussiere Dich auf deine Idee. Ohne eine gute Idee braucht es kein Startup. Es muss nicht immer völliges Neuland sein – viele Startups sind mit relativ kleinen Neuerungen erfolgreich.
2) Prüfe die Idee gründlich. Ideen gibt es viele, gescheiterte Startups ebenso. Nicht jede gescheiterte Idee war schlecht, manchmal war nur der Zeitpunkt nicht passend, es fehlten nötige Kenntnisse oder Ressourcen. Bevor Geld in eine Gründung, Anschaffungen oder sonstige Schritte zur Umsetzung einer Geschäftsidee investiert wird, sollte der mögliche Markterfolg gründlich geprüft werden. Gibt es Unternehmen mit ähnlichem Geschäftsmodell? Wer kann meine Kundschaft sein und hat das Geld und/oder die Notwendigkeit für mein Produkt oder meine Dienstleistung? Was ist nötig, um meine Idee umzusetzen und wie kann ich das finanzieren?
3) Berate dich. In der Prüfungsphase ist es sinnvoll, sich Beratung zu holen. Da kann das eigene (familiäre) Umfeld erster Anlaufpunkt sein. Wer studiert, sollte an der Hochschule nach Beratungsmöglichkeiten suchen. Handwerkskammern sind ebenfalls erste gute Anlauforte, bevor die oft teure Hilfe spezialisierter Beratungsunternehmen in Anspruch genommen wird. Auch in beruflichen Netzwerken wie Xing oder LinkedIn lassen sich Sparringspartner finden. Achte aber auch darauf, deine Idee zu schützen und nicht zu viel zu früh öffentlich werden zu lassen.
4) Prüfe dich selbst. Die Gründung eines neuen Unternehmens ist eine anspruchsvolle Aufgabe. Dazu braucht es nicht nur das nötige Fachwissen, sondern auch eine passende Persönlichkeit. Nicht jede oder jeder ist dazu geboren, vor Investoren oder Publikum sein Unternehmen anzupreisen – auch das kann aber bei einer Unternehmensgründung nötig werden. Hier kann die Integration von Partnern helfen, die Belastungen auf mehreren Schultern zu verteilen und mehr Kompetenzen an Bord zu holen. Ein Startup bedeutet meist viel Arbeit, gerade für Menschen, die sowieso schon in einem Betrieb mitarbeiten oder diesen übernehmen wollen. Das erfordert ein hohes Maß an Durchhaltevermögen ebenso wie die Bereitschaft, noch mehr zu arbeiten als ohnehin schon. Und die Familie muss auch mitziehen.
5) Achte auf deine Ressourcen. Wer auf den traditionellen Familienbetrieb als Grundlage für das moderne Startup setzt, ist oft dank Immobilienbesitz gut aufgestellt für die Finanzierung einer Unternehmensgründung. Aber hier sollte nicht leichtsinnig agiert werden, ein Scheitern des Startups darf den bestehenden Betrieb nicht gefährden.