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Erst finden, dann binden – so klappt’s mit Fachkräften

Fachkräfte zu finden ist für viele Berufe im Handwerk ein hartes Geschäft. Aufwändiges und langwieriges Recruiting kostet zudem Geld und verschlechtert die Unternehmensperformance. Wer in die Mitarbeiterbindung investiert, muss weniger neues Personal suchen.
Veröffentlicht am 08.06.2022
Erst finden, dann binden – so klappt’s mit Fachkräften

Die Stellenanzeige in der Lokalzeitung ist ein Auslaufmodell, das hat sich mittlerweile weit herumgesprochen. Neue Wege in der Mitarbeitergewinnung gehen, sei unumgänglich, hört und liest man. Welche(n) der vielen Wege – das sollte Ergebnis einer Recruitingstrategie sein, die wir Ihnen hier erst kürzlich ans Herz gelegt haben. Teil einer Personalstrategie sollte auch das Nachdenken über die Gründe für Personalmangel sein und über Wege, bestehendes Personal zu halten. Nach einer Umfrage der Handwerkskammer Ulm hatten schon vor Corona lediglich rund 20 Prozent der Handwerksbetriebe keine Probleme bei der Personalsuche. Knapp 40 Prozent hingegen suchten länger und fast die Hälfte suchte gar erfolglos. Und etwa zwei Drittel des Personals verlässt im Laufe seines Berufslebens den Betrieb oder sogar das Handwerk insgesamt.

Personalsuche ist teuer, Maßnahmen zur Erhöhung der Zufriedenheit von Beschäftigten hingegen oft günstig. Zudem verlässt mit dem Personal immer auch Know-How die Firma. Neue Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter müssen, selbst wenn sie beispielsweise als Berufseinsteiger oder noch recht frisch ausgebildete Gesellen über den neuesten Stand des Fachwissens verfügen, trotzdem eingearbeitet werden. Beschäftigte, die aus Alters- oder anderen unveränderlichen Gründen ausscheiden, sind nicht zu halten. Aber ein erheblicher Teil der Fluktuation lässt sich auf Unzufriedenheit, bessere Angebote anderswo, Ärger im Betrieb und ähnliche Gründe zurückführen, an denen sich etwas ändern lässt. Und es gibt noch einen gewichtigen Grund, sich Gedanken über die Personalbindung zu machen: Oft ziehen Beschäftigte, die ihrem Betrieb den Rücken kehren, Kolleginnen und Kollegen direkt oder indirekt mit.

Das Mitarbeitergespräch kostet außer Zeit überhaupt nichts. Es bringt aber doppelten Effekt: Zuerst fühlen sich die Beschäftigten von Chef, Chefin oder Vorgesetzten wahrgenommen. Das ist oft schon der wichtigste Schritt zu mehr Zufriedenheit. Zweitens ist der regelmäßige Kontakt Voraussetzung, um Wünsche der Belegschaft zu erfahren. Darauf basierend lassen sich dann Maßnahmen auswählen, die Beschäftigten angeboten werden können, um die Bindung an den Betrieb zu verstärken. Wichtig: Es muss tatsächlich ein Gespräch sein, kein Monolog des Chefs. Die Beschäftigten müssen echtes Interesse spüren. Ergänzend können Zielvereinbarungen getroffen werden, durch die sich beide Seiten verpflichten.

Lob ist ebenfalls umsonst. Kritisiert wird schnell, achten Sie deshalb darauf, Ihre Belegschaft regelmäßig zu loben – nicht nur als Gruppe, sondern auch die Individuen. Letzteres nicht nur „vor versammelter Mannschaft“, sondern auch im Zweier-Gespräch oder in kleiner Runde. Wichtig: Das Lob sollte nicht vorgetäuscht wirken, sondern echt sein.

Auch für eine Mitarbeiterbefragung ist der Aufwand überschaubar. Sie vermittelt Interesse an der Belegschaft, gibt Hinweise darauf, wo Unzufriedenheit besteht und ermöglicht so zielgerechte Verbesserungen. Fragen Sie möglichst konkret, aber lassen Sie auch genug offenen Raum, um nicht nur vorgestanzte Antworten zu erhalten.

Direkte finanzielle Anreize können Gehaltserhöhungen sein, Provisionen oder Prämien und Incentives wie etwa Dienstwagen oder -rad. Diese Form der Mitarbeitermotivation und -bindung ist klassisch. Bedenken Sie neben den Kosten dafür auch das Neid-Problem, das entstehen kann. Sie verhindern vielleicht die Abwanderung einer Person, erhöhen aber die Unzufriedenheit jener, die nichts erhalten. Die Belegschaft sollte nachvollziehen können, warum einer oder eine von ihnen mehr bekommt als andere, auf gar keinen Fall darf der Eindruck von Günstlingswirtschaft oder Bevorzugung entstehen. Viele Studien und Befragungen zeigen, das vor allem die jüngsten Generationen immer weniger Wert legen auf materielle Anreize.

Indirekte finanzielle Anreize sind vielfältig und oft für Arbeitgeber attraktiv. Beispielsweise können die Übernahme von Aufwendungen und Kosten für Bildungsmaßnahmen, Zuschüsse zu Altersversorgung, Fahrtkosten, Kinderbetreuung, Versicherungen oder der Miete sowie Essens-, Tank- oder Warengutscheine und viele andere Leistungen gefördert werden und/oder sind steuerlich absetzbar.

Weiche Faktoren beeinflussen die Mitarbeiterbindung ebenfalls positiv. Dazu zählen beispielsweise ein mitarbeiterzentrierter Führungsstil, der über Anerkennung, Förderung von Eigenständigkeit und Verantwortung, Teambuilding und Aufmerksamkeit zufriedenes Personal erzeugt. Auch Gesundheitsförderung, Karrieremöglichkeiten oder Flexibilität bei den Arbeitszeiten und eine familienfreundliche Schicht- und Dienstplanung kann die Bindung von Beschäftigten an den Betrieb verstärken. Laut der Handwerkskammer Münster sind Karrieremöglichkeiten/Weiterbildung, spannende Aufgaben sowie eine bedeutsame Arbeit mit Beitrag zum Unternehmenserfolg die drei wichtigsten Gründe, warum Fachkräfte ihrem Betrieb treu bleiben. Auch auf den folgenden Plätzen dominieren „weiche“ Faktoren wie Arbeitsatmosphäre, Anerkennung der eigenen Leistung oder eigenverantwortliches Arbeiten. Erst auf dem zehnten Platz liegt das Thema Vergütung und Zulagen.

Leitfaden Personalbindung der HWK Münster

https://www.hwk-muenster.de/adbimage/9200/asset-original//mitarbeiter-im-handwerk-langfristig-binden-leitfaden-zur-personalbindung-148-mb.pdf